Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Fieber“

Deutschland, 2014

Bewertung: 4 von 5.

Ein Mädchen steigt im Nachthemd eine dunkle Treppe hinauf, vorsichtig ein Glas Wasser tragend.
Die Eröffnungsszene von Elfi Mikeschs „Fieber“ könnte stimmungstechnisch aus einem Horrorfilm stammen; erst sehr viel später im Film erfahren wir, wem sie das Wasser bringt, und noch viel später wird das Mädchen Franzi sagen: „Ich bringe ihm kein Wasser mehr!“
Elfi Mikesch, die als Kamerafrau für Rosa von Praunheim und Monika Treut nicht nur die Optik des deutschen New Queer Cinema entscheidend mitprägte, hat auch als Regisseurin etwa ein Dutzend eigene Spiel- & Dokumentarfilme (und Kombinationen aus beidem) gedreht.
In „Fieber“ erzählt sie auf zwei Zeitebenen (1952 und der heutigen Gegenwart) vom Verhältnis zwischen Franzi und ihrem Vater, der als junger Mann als Fremdenlegionär an der blutigen Niederschlagung der Berberaufstände in Marokko in den 1920er Jahren beteiligt war.
Doch darüber spricht er nicht, zumindest nicht mit ihr, und so bleibt dem Mädchen nur, an Türen zu lauschen und heimlich die Fotos durchzuschauen, die ihr Vater aus der Zeit aufbewahrt hat. Und die Menschen aus den Fotos erscheinen ihr nachts in ihrem Zimmer, um ihr Antworten zu geben auf ihre Fragen.
Martin Wuttke („Tatort Leipzig“) brilliert in der Rolle des Vaters, dessen innere Zerissenheit sich gerade in jenen Szenen zeigt, in denen er sich mit aufgezwungenen Umarmungen von seiner Tochter das nimmt, was er selbst nicht mehr zu geben in der Lage ist: Nähe und Zuneigung.
Carolina Luzia Cardoso spielt die junge Franzi zwischen kindlicher Neugier, Unverständnis und aufkeimender Auflehnung mit ergreifender Natürlichkeit und die große Eva Mattes gibt die erwachsene Franziska als scheinbar gesetzte Frau, die jedoch noch immer vom emotionalen Erbe ihres Vaters getrieben wird und sich deswegen auf den Weg in seine Heimatstadt macht.
Mehr noch als ein bloßes Familendrama ist „Fieber“ ein ergreifender Film über die Weitergabe von Traumata und die Ambiguität und Grausamkeit des Krieges. Ganz bewusst greift die Regisseurin dabei nicht auf die allzu bekannten Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg zurück, sondern zeigt uns Aufnahmen eines heute nahezu vergessenen und unbekannten Konfliktes.
Kameramann Jerzy Palacz findet dafür stimmungsreiche Bildkompositionen voller Symbolik, in denen Schönheit und Grauen oft nah beieinanderliegen.



Hinterlasse einen Kommentar