Deutschland, 1930
Nur ein Jahr nach dem in Zusammenarbeit mit Edgar G. Ulmer, Billy Wilder und seinem Bruder Curt entstandenen Stummfilm „Menschen am Sonntag“ drehte Robert Siodmak seinen ersten Tonfilm „Abschied“, nach einem Drehbuch von Emeric Pressburger, der mit Regisseur Michael Powell in den vierziger und fünfziger Jahren das britische Kino revolutionieren sollte, und Irma von Cube, die hier eingebettet in „Ernstes und Heiteres aus einer Familienpension“ (so der Untertitel des Films) vom Zerwürfnis eines jungen Liebespaares erzählen, ausgelöst durch Missverständnisse und den Klatsch und Tratsch der Pensionbewohner*innen.
Brigitte Horney, die später eine überaus erfolgreiche und vielseitige Karriere als Theater-, Film- und Fernsehschauspielerin („Das Erbe der Guldenburgs“) und Hörspielsprecherin absolvieren sollte, ist hier als Hella in ihrem Leinwanddebüt zu sehen und trägt mit ihrer natürlichen Ausstrahlung und charismatischen Spiel den Film als dessen tragischer Mittelpunkt. Aus den Pensionsbewohner*innen vermag vor allem der große Wladimir Sokoloff als opportunistischer und zugleich verschmitzter Kleinkrimineller „Baron“ hervorzustechen.
Trotz der naturalistischen Ausrichtung des Films gelingen Regisseur Siodmak und seinem Kameramann Eugen Schüfftan („Augen ohne Gesicht“, „Hafen im Nebel“) geschickte Kunstgriffe, mit denen sie die emotionale Wirkung zentraler Szenen zu verstärken wissen, so z.B. der wiederholte Gegenschnitt auf einen sich der Kamera immer mehr nähernden und dabei lauter werdenden Staubsauger.
UCM.ONE hat den von der Friedrich Murnau Stiftung aufwändig restaurierten Film in seiner ursprünglichen Fassung sowohl im Keepcase als auch als auf 500 Einheiten limitiertes Mediabook mit einem Booklet von Bernward Knappik veröffentlicht.
Das 1931 von der Ufa ohne Siodmaks Einwilligung nachgedrehte und inhaltlich wie künstlerisch unsägliche Happy End ist erst nach Ende des Films und der Einblendung einer entsprechenden Informationstafel zu sehen.
So ist es den Zuschauenden möglich dieses frühe Meisterwerk des deutschen Tonfilms in der angedachten Form zu erleben, die ihr Publikum ernst nimmt und diesem zutraut, die trotz aller scheinbaren Beiläufigkeit der einzelnen Handlungsstränge ungeheure Kunstfertigkeit zu würdigen und die darin enthaltenen Andeutungen zu entschlüsseln.
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