Mexico, 1961
Wo manch andere alte Grusel- oder Horrorfilme sich viel Zeit nehmen langsam eine unheimliche Atmosphäre aufzubauen, geht „La maldición de la Llorona“ direkt in die Vollen. Bereits die erste Einstellung präsentiert den noch völlig unvorbereiteten Zuschauenden direkt die titelgebende Schreckensgestalt der tief in der mittelamerikanischen Folklore verwurzelten La Llorona und noch vor dem Vorspann werden wir hilflose Zeugen wie sie und ihr Gehilfe samt drei gewaltigen Hunden eine Kutsche überfallen und die Insassen grausam ermorden.
Auch macht der Film kein Geheimnis um die Identität der La Llorona, so dass er gerade zu Beginn seine Spannung eher daraus bezieht, dass wir mehr wissen als die Protagonist*innen, nämlich die junge Amelia und ihr Ehemann Jamie, die auf den Landsitz ihrer Tante Selma zurückkehren.
Doch auch dieser Wissensvorsprung hält nicht lange an, hat der Film des mexikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Rafael Baledón ja auch nur 74 Minuten Zeit seine Geschichte zu erzählen und davon verschwendet er keine einzige.
Dabei lässt er die originale Sage um die La Llorona völlig beiseite und spinnt stattdessen eine atemlos vorangetriebene Handlung um einen alten Familenfluch und schwarze Magie. Inmitten atmosphärischer Sets voller Spinnweben, Totenschädeln und alten Gemäuern (von José Ortiz Ramos in stimmungsvollen Schwarzweiß-Bildern eingefangen) entwickelt sich so der Kampf zwischen zwei Frauen um unendliche Macht auf der einen Seite und der Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Schicksal auf der anderen.
Rosa Arenas füllt die Titelrolle, die nach eigenen Angaben zu ihren liebsten zählte (weil sie ihr die Möglichkeit gab, aus ihrem sonstigen Rollenmuster auszubrechen, mit dem sie nicht immer glücklich war) mit geradezu diabolischer Spielfreude. Der eindrucks- und überaus wirkungsvolle Spezialeffekt ihrer komplett schwarzen Augäpfel geht (wie wohl einige andere auch) der Legende nach auf ihren eigenen Erfindungsreichtum zurück.
Rita Macedo darf als ihre Nichte Amelia nicht nur Damsel-in-Distress sein, sondern im Laufe der Handlung über sich selbst hinaus wachsen, während Genrestar Abel Salazar, der gefühlt in jedem mexikanischen Gruselfilm der Zeit mitgespielt hat, als ihr Ehemann sich hier zeitweise mit der zweiten Reihe begnügen muss.
„La maldición de la Llorona“ zählt völlig zu Recht zu den Höhepunkten des mexikanischen Horrorkinos der 1960er Jahre und ist seit 2023 dank Powerhouse/Indicator auch außerhalb Mexikos in einer vorbildlich restaurierten Fassung im Originalton mit englischen Untertiteln erhältlich, deren britische Ausgabe auch auf deutschen Playern läuft. Hierzulande wurde der Film nämlich bisher noch nie veröffentlicht, weder im Kino, noch im Fernsehen oder Stream und erst recht nicht als physikalisches Medium.
Die ursprüngliche Box-Edition „Mexico Macabre“ habe ich seinerzeit leider verpasst und die dafür mittlerweile aufgerufenen Preise ließen mich zur Einzelausgabe der Blu-ray greifen, die genauso wie die anderen dort enthaltenen Filme so auch für kleines Geld erhältlich ist.
„Misterios de ultratumba“ / „The Black Pit of Dr. M“, der in Deutschland nur gekürzt als „Der Tote kehrt zurück“ veröffentlich wurde liegt somit auch schon ganz oben auf einem meiner Stapel noch zu guckender Filme, während „El Espejo de la bruja“ / „The Witch’s Mirror“ noch auf dem Weg zu mir ist.
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