Frankreich, 2021
Paul Verhoeven („Basic Instinct„, „Starship Troopers„) verfilmt das Leben der italienischen Nonne Benedetta Carlini im 17. Jahrhundert, basierend auf der 1986 erschienen Biographie „Schändliche Leidenschaften: das Leben einer lesbischen Nonne in Italien zur Zeit der Renaissance„.
Nicht wenige hätten sich angesichts dieses Titels und Verhoevens Ruf als Skandalregisseur kaum gewundert, wenn dabei ein waschechter Nunsploitation-Film mit jeder Menge nackter Haut und Gewalt herausgekommen wäre. Aber eine solche Erwartungshaltung wäre auch ein deutliches Zeichen für eine eklatante Fehleinschätzung seines bisherigen Schaffens.
Gewalt und Sex sind zwar zentrale Themen in den Filmen Verhoevens, doch sie sind nicht nur bewusst gesetzte Fliegenfänger und Aufreger, sondern zugleich auch immer Werkzeug und Ausdruck von Machtkämpfen, ganz gleich ob diese nun auf gesellschaftlicher Ebene wie in „Starship Troopers“ oder „Black Book“ oder auf der zwischen den Geschlechtern stattfindet wie in „Basic Instinct“ oder „Türkische Früchte„. Und es ist interessant zu sehen, auf wessen Seite Verhoeven dabei steht, denn auch dies wird oft verkannt.
In „Benedetta“ kommt nun zu den beiden Schlachtfeldern, die sich ohnehin ja auch oft vermischen, noch das der Religion hinzu.
Verhoeven beschreibt wie damals (und heute, denn seine Filme, egal in welcher bestimmten oder unbestimmten Zeit sie spielen, weisen immer auch in die Gegenwart) Religion genutzt wurde, um gesellschaftliche, wirtschaftliche und sexuelle Macht in den Händen von Männern zu halten.
Mit der Figur der Benedetta zeigt er eine Frau, die sich nicht nur der maskulin-bestimmten Hoheit über ihren Körper und ihre Lust entzieht, sondern sogar die Leidens- und Heilgeschichte der männlichen Erlöserfigur Jesus Christus für sich beansprucht und zu ihrer eigenen macht.
Was davon Wirklichkeit, (Aber-)Glaube, Einbildung oder gar geschickte Täuschung ist, darüber lässt uns Verhoeven lange im Unklaren.
Seine beißende Religions- und Gesellschaftskritik rücken seinen Film damit aber eben mehr in die Nähe von Ken Russells „The Devils„, auch wenn er dessen Radikalität und Intensität zu keinem Zeitpunkt erreicht (oder erreichen will), als in die von Jess Franco’s „Die Nonnen von Clichy„.
Die französische Kamerafrau Jeanne Lapoirie kleidet das alles in überaus stimmungsvolle Bilder, denen in ganz gewissen Szenen der „male-gaze“ des Exploitationkinos fehlt, außer dort wo er bewusst und überdeutlich als Stilmittel eingesetzt wird und dadurch zugleich die voyeuristische Haltung der Zuschauer entlarvt.
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