Frankreich, 1975
Mit „Treibjagd“ veröffentlicht Camera Obscura einen französichen Film aus dem Jahr 1975, der im deutschen Sprachraum bisher (wenn überhaupt) unter dem unsäglichen Titel „Ein wildes Wochenende“ bekannt war. (Dieser Beitrag entstand ursprünglich 2022.)
Eine junge Engländerin (Mimsy Farmer) trifft im französischen Hinterland auf drei Mitglieder einer Jagdgesellschaft, wovon zwei sie vergewaltigen. Als es ihr gelingt, einen von ihnen zu verwunden und zu fliehen, beschließen die anderen mit allen Mitteln zu verhindern, dass sie das Waldgebiet verlässt.
Was in dieser zugegebenermaßen stark verknappten Zusammenfassung nach einem Thriller mit reichlich Exploitationpotential klingt, ist aber in Wirklichkeit das genaue Gegenteil davon.
Regisseur Serge Leroy interessiert sich nicht für die Darstellung von Gewalt, weder schlachtet er die Vergewaltigung voyeuristisch aus, wie es in manchen Rape&Revenge-Filmen der Zeit („Last House on the Left„, „I spit on your Grave„) ja leider der Fall war, noch kommt es hier zu sadistischen Racheakten der Frau.
Stattdessen seziert er messerscharf die Machtstrukturen in der Jagdgesellschaft, getragen von gesellschaftlichem Einfluss und Geld und gestützt und am Leben erhalten durch Statussymbole wie Alkohol, Essen, Sex (oder zumindest das Reden davon), Waffen und seltsame Ehrenkodexe, denen sich selbst die nicht entziehen können, die in der Machtordnung der Gruppe ganz unten stehen.
So geht es auch bei der Vergewaltigung nicht um Sex, sondern sie ist reine Machtdemonstration, vor sich selbst und den anderen.
Getragen von den hervorragenden schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten und von Kameramann Claude Renoir in nüchtern-naturalistische Bilder gepackt, gelingt Serge Leroy ein ausgesprochen intelligenter, aber in seinem Menschen- oder besser gesagt Männerbild hochgradig pessimistischer Film, dessen Schrecken eben nicht nur in der Handlung selbst liegt, sondern im Wiedererkennen jener Handlungs- und Denkmuster nicht nur in Gesellschaft im allgemeinen, sondern auch im eigenen Umfeld (egal für wie fortschrittlich man es halten mag) und mitunter auch bei sich selbst.
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