Australien, 1971
Ted Kotcheff dürften die meisten heute nur als Regisseur von „Rambo – First Blood“ kennen, jenem erstaunlich bodenständigen Beginn einer der ikonischsten Actionfilm-Reihen überhaupt.
Seinen wahrscheinlich besten Film drehte der Kanadier Kotcheff jedoch elf Jahre zuvor in Australien. Seiner Zeit bei Publikum und Kritik ein Flop war dem Film auch nur ein begrenzter Kinostart vergönnt und schon bald geriet er ungerechterweise in Vergessenheit.
Heute gilt er zusammen mit „Walkabout“ von Nicolas Roeg als Weckruf des neuen australischen Kinos zu Beginn der Siebziger (Peter Weir „Picknick am Valentinstag„, Fred Schepisi „The Devil’s Playground„), als Beweis, dass sich in und über dieses karge Land und seine Bewohner interessante und künstlerisch wertvolle Filme drehen lassen.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Kenneth Cook erzählt Kotcheff die Geschichte des Grundschullehrers John Grant (Gary Bond), der während der Weihnachtsferien bei dem Versuch zu seiner Verlobten nach Sydney zu gelangen in dem Minenarbeiter-Kaff Bundanyabba strandet.
Der gebildete junge Mann, der davon träumt in England Journalist zu werden, fühlt sich unwohl und fehl am Platze unter den zumeist männlichen Bewohnern des Ortes, die sich ihre Zeit mit Glücksspiel, Raufereien und jeder Menge Alkohol vertreiben. Doch als er den Arzt Clarence „Doc“ Tydon (faszinierend-abstoßend: Donald Pleasence) kennenlernt, zieht ihn dieser in eine sich immer schneller drehende Spirale aus Männlichkeitsritualen, Suff und Gewalt.
Heute würde man dazu wohl „Toxic Masculinity“ sagen, Kotcheff nennt es im auf der Blu-Ray von Eureka enthaltenen Interview schlicht „men doing bad things“. Trotz dieser recht eindeutigen Äußerung sieht Kotcheff seinen Film nicht als wertend an, sondern lediglich als beobachtend. Das tut er jedoch mit einem messerscharfen Blick (ganz ähnlich wie Serge Leroy in „Treibjagd„), den er auch dann nicht abwendet, wenn es schwer fällt hinzuschauen.
Den Höhepunkt des Films bildet eine nächtliche Kängurujagd, für die das Filmteam (mangels entsprechender Tricktechnik wie sie z.B. später bei der berühmten Büffeljagdszene aus „Der mit dem Wolf tanzt“ eingesetzt wurde) professionelle Jäger auf einer ihrer regelmäßigen Jagdtrips begleiteten. Die entsprechenden Szenen enthalten also tatsächlich sterbende Tiere, was die ohnehin schon hoch emotionale (und brilliant in Szene gesetzte) Sequenz noch schwerer erträglich macht, als sie es ohnehin schon ist. Immerhin handelt es sich aber nicht wie bei so manchen Exploitationfilmen der Zeit um Tier-Snuff, also (zumeist im Detail gezeigte) Tötungen, die allein für den Film und nur um der Sensationslust oder der Provokation willen gedreht wurden. Kotcheff geht im Interview auch recht ausführlich auf die Sequenz und ihre Entstehung ein.
Der Film galt lange als verschollen, die Masterbänder als verloren, erst Anfang der 2000er wurden die Kameranegative wiederentdeckt und der Film konnte in seiner ganzen Pracht (die Hitze und der Schweiß springen gerade aus den flirrenden Bildern des Kameramanns Brian West heraus) restauriert werden.
In England hat sich Eureka in seiner „Masters of Cinema“-Reihe des Films angenommen, in Deutschland, wo er wohl wohl auch nie im Kino lief, ist von einer Veröffentlichung bisher leider keine Spur. Camera Obscura, bitte übernehmen sie!
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