Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Day of the Outlaw“ / „Tag der Gesetzlosen“

USA, 1959

Bewertung: 5 von 5.

Dank der wiederkehrenden Empfehlung durch Robert Zion habe ich nun (dieser Beitrag stammt ursprünglich vom 21.10.2021) begonnen, mich durch das Werk des ungarisch-amerikanischen Regisseurs Andre de Toth zu arbeiten.
Vielleicht hätte ich nicht gerade mit de Toths letztem Western „Day of the Outlaw“ beginnen sollen, denn ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob irgendeiner seiner anderen Filme diesen noch toppen oder aber auch nur ansatzweise erreichen kann.
Tarantino nannte „Day of the Outlaw“ als einen der Haupteinflüsse für „The Hateful Eight„, bei dem ich nie über die ersten 20 Minuten hinausgekommen bin.
Beides sind Western, die im Schnee spielen und beide sind sehr langsam erzählt. Das war’s für mein Gefühl aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Während sich bei mir bei „The Hateful Eight“ aufgrund des Erzähltempos gähnende Langeweile breit machte (und eigentlich liebe ich langsame Filme), erzeugt „Day of the Outlaw“ die genau entgegengesetzte Wirkung.
Dieser Film ist wie Treibsand, in dem man langsam und hoffnungslos versinkt und je tiefer man einsinkt, desto mehr raubt er einem den Atem.
Der eigensinnige Rancher Blaise Starlett (eindringlich: Robert Ryan) gerät in Konflikt mit dem Farmer Hal Crane über dessen Vorhaben, sein Land einzuzäunen und alles scheint auf ein Duell zwischen den beiden hinauszulaufen.
Doch gerade als man glaubt, die Sympathien in diesem Film seien verteilt, reitet eine Gruppe Outlaws in diese kleine verschneite Stadt, die den so überaus passenden Namen Bitters trägt.
Angeführt vom ehemaligen Captain der Unionsarmee Jack Bruhn (nach „Weites Land“ hier erneut beeindruckend und beängstigend in der Schurkenrolle: Folksänger und Schauspieler Burl Ives) terrorisieren sie den Ort. Starletts Versuch sich den Outlaws entgegen zu stellen, wird für ihn zur Karthasis.
Die getragene, manchmal geradezu dahinschleichende Musik des Komponisten Alexander Courage, der später u.a. die Titelmusik zur Serie „Star Trek“ verfassen sollte, unterstreicht die beklemmende Atmosphäre des Films perfekt und gehört zu den eindringlichsten Scores, die ich letzter Zeit gehört habe.
Kameraman Russell Harlan zaubert dazu in Schwarzweiß-Bildern wunderschöne Landschaftsaufnahmen und beeindruckende Charaktershots, die zusammen mit dem bis in die Nebenrollen hervorragenden Schauspielleistungen dem Zuschauer soviel mehr über die Figuren dieses Films erzählen als alle Dialoge Tarantinos zusammen.
Überhaupt reichen Regisseur de Toth und Drehbuchautor Phillip Yordan hier oft nur wenige Sätze und den Schauspielern nur ein paar Blicke, um ihre Charaktere zum Leben zu erwecken.
Aus der im positivsten Sinne unerträglichen Langsamkeit bricht allein eine einzige Szene in der Mitte des Films heraus, mit wirbelnd-drehender Kamera und ebensolcher Musik. Und schon nach wenigen Augenblicken wünscht man sich, sie wäre vorüber.
Diese Szene, in der die Outlaws die Frauen des Ortes unter Gewalt zum Tanzen im Saloon zwingen, dürfte so ziemlich das äußerste gewesen sein, was de Toth Ende der 50er Jahre an angedeuteter sexueller Gewalt auf der Leinwand zeigen konnte. Tatsächlich gelingt ihm aber trotz (oder vielleicht gerade wegen) dieser Beschränkung eine der beklemmensten filmischen Darstellungen sexueller Gewalt, die ich kenne.
Einer jener Filme, die man mehr durchlebt als man sie schaut, und die tatsächlich noch lange nachhallen. Selten passte diese ja mittlerweile fast zum Klischee verkommene Aussage mehr als hier.



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