Kanada, 2023
Die leicht schräg stehende Kameraeinstellung ist ein beliebtes Stilmittel, um in Filmen anzudeuten, dass etwas nicht stimmt, dass das Leben der Protagonist:innen dabei ist, aus den Fugen zu geraten.
In „Infinity Pool„, dem dritten Film von Brandon Cronenberg, kippt die Kamera ziemlich zu Beginn nicht nur zu Seite sondern überschlägt sich regelrecht und weder der erfolglose Schriftsteller James Foster, der mit seiner Frau Em Urlaub in einem Ressort auf dem fiktiven Inselstaat Li Tolqa macht, noch wir als Zuschauer:innen können uns zu diesem Zeitpunkt ausmalen, was da uns zukommt.
So lebt der Film bei seiner ersten Sichtung zu einem ganzen Teil auch von seinen zahlreichen Wendungen und „What the Fuck“-Momenten, während die schiere Menge an Themen, die der Regisseur hier vorder- und hintergründig aufmacht, gleichzeitig überfordernd wirken kann: Doppelgänger, menschliche Identität, Voyeurismus, Urlaub als moderner Kolonialismus, Rassismus, Eskapismus und Männlichkeitsbilder, um nur die wichtigsten zu nennen.
So erinnerte mich der Film gerade bezüglich des letztgenannten Themas streckenweise an Ted Kotcheffs großartigen „Wake in Fright“/“Ferien in der Hölle„, über den ich ja auch schon mal was geschrieben hatte.
Aber natürlich steht „Infinity Pool“ weitaus mehr in der Tradition von Brandons Vater David Cronenberg und dessen literarischem Bruder im Geiste James Graham Ballard, dem jener ja mit seiner Verfilmung von „Crash“ ein ganz besonderes filmisches Denkmal gesetzt hat, überführt deren Themen aber in die Gegenwart und vor allem in eine moderne Bildsprache; ein Sprung, den David ja mit seinem letzten Werk „Crimes of the Future“ in meinen Augen leider nicht geschafft hat.
Dem kanadischen Regisseur und Kameramann Karim Hussain gelingt es nach „Possessor“ erneut die erschreckenden Gedankenwelten Brandons in nicht minder schockierende, teils traumhaft schöne, teils abtraumhafte Bilder zu packen, deren vor allem sexuelle Deutlichkeit dem Film in den USA das berüchtigte Pornografie-Rating NC-17 einbrachte, das nur nach einigen Kürzungen in ein R-Rating umgewandelt wurde. Die deutsche 18er-Version entspricht jedoch der ursprünglichen Fassung mit allen Details und Gewaltspitzen.
Alexander Skarsgard brilliert in der Hauptrolle, unterstützt von Cleopatra Coleman und Thomas Kretschmann, während Mia Goth ihrer Galerie der menschlichen Monster nach „Pearl“ einen weiteren zutiefst beeindruckenden Eintrag hinzufügen darf.
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