Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Dance, Girl, Dance“

USA, 1940

Bewertung: 5 von 5.

Dance, Girl, Dance“ war der vorletzte Film der feministischen und queeren Regisseurin Dorothy Arzner. Seinerzeit ein Flop, gilt er heute als ihr bester und wichtigster Film, und hat sich bereits bei der ersten Sichtung einen Platz in meinen persönlichen Top 100 gesichert.
Zeitgenössische Kritiker warfen Arzner vor, sie würde „Filme für Frauen“ machen (mit allen implizierten Abwertungen, die mit einer solchen Kategorisierung gerne getroffen werden), übersahen dabei aber den eigentlichen Kern ihres Schaffens: Arzner machte Filme ÜBER Frauen.
So erzählt sie in „Dance, Girl, Dance“ (nach einem Roman der österreichischen Schriftstellerin Vicki Baum) die Geschichte zweier junger Tänzerinnen, die Karriere im Showbusiness machen wollen.
So unterschiedlich die beiden in ihrem Charakter, ihrer Motivation und ihren Lebensentwürfen auch sind, die Regisseurin gibt beiden ihren gleichberechtigten Raum, den Lucille Ball als Bubbles und Maureen O’Hara, die mit ihren späteren draufgängerischen Rollen in Piraten- und Abenteuerfilmen wohl mein erster Film-Crush war, als Ballettänzerin Judy O’Brien mit ihrer mitreissenden und ergreifenden Darstellungskunst bis ins letzte Stück auszufüllen wissen.
Was oberflächlich betrachtet nach einer simplen Geschichte klingt, erweist sich auf den zweiten Blick als vielschichtige Abhandlung über Kunst, die Motivation von Künstler*innen und die Wahrnehmung und Beurteilung ihres Schaffens durch das Publikum.
In einer Schlüsselszene des Films wendet sich Judy schließlich an die Zuschauer*innen der Burlesque-Show, in der sie als Stooge (irgendwie habe ich dafür keinen passenden deutschen Begriff gefunden) arbeitet, und hält eine anklagende Rede über den Sexismus, der ihr und anderen Frauen im Showbiz entgegengebracht wird.
In der Rolle der Managerin Madame Lydia Basilova, gespielt von der russischen Schauspielerin Maria Ouspenskaya, könnte man zudem fast ein Alter Ego Arzners sehen, trägt diese doch genau wie die Regisseurin, die so offen es unter damaligen Umständen möglich war mit der Tänzerin und Cheoreografin Marion Morgan zusammenlebte (die auch für die Choreografie in „Dance, Girl, Dance“ zuständig war), Männerkleidung, was zur damaligen Zeit höchst ungewöhnlich war.
Überhaupt gibt es im Film viele unterschwellige Andeutungen in Richtung lesbischer Liebe / Beziehung (eine offene Behandlung des Themas war durch den Hays Production Code nicht möglich), angefangen von der Unterbringung der jungen Frauen als „Room-Mates“, wobei jede ihr eigenes Doppelbett hat (Männerbesuch aber untersagt ist), über eine Catfight-Szene gegen Ende des Films bis zu der Tatsache, dass das Happy End für beide Hauptfiguren nicht in der klassischen romantischen Beziehung zu einem Mann liegt.
In der Criterion Collection ist der Film auch in UK (und damit auf deutschen Playern lauffähig) auf Blu ray in einer wunderbaren 4K-Restaurierung samt informativem Booklet und Extras erschienen, unter anderem einem Videoessay der Filmgelehrten B. Ruby Rich, deren Arbeiten zum queeren Kino als wegweisend gelten.



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