Großbritannien, USA, 2017
Bei meiner letzten Bestellung im Online-Shop des British Film Institute hatte ich mir neben „Girl with Green Eyes“ und einer Box mit Stummfilmen von Ernst Lubitsch (dazu demnächst mehr) auch noch drei andere Filme bestellt (wegen des hohen Portos müssen sich Bestellungen in England ja immer lohnen), von denen sich zwei mit der Thematik lesbischer Liebesbeziehungen in streng religiösen Gemeinschaften auseinandersetzen.
Der erste davon, der nun in meinem Player gelandet ist, war „Disobedience“ des chilenischen Regisseurs und Drehbuchautors Sebastián Lelio, dessen (hoffentlich noch) auf Netflix zu findender Film „The Wonder“ mich vor zwei Jahren schwer beeindruckt hatte. (Mein damaliges Review schiebe ich hier gleich nach.)
Die jüdische Fotografin Ronit (Rachel Weisz) kehrt anlässlich des Todes ihres Vaters, eines hoch angesehenen Rabinners, an den Ort ihrer Jugend zurück, wo sie auf ihre damaligen Freunde Dovid (Alessandro Nivola) und Esti (Rachel McAdams) trifft, die mittlerweile miteinander verheiratet sind. Doch die Gefühle zwischen den beiden Frauen, die damals eine heimliche Liebesbeziehung hatten, scheinen noch nicht erloschen.
Was bei anderen Regisseuren schnell zu einer kitschigen Lovestory mit LGBTQIA+-Anstrich hätte werden können, entwickelt sich dank eines intelligenten Drehbuchs (basierend auf dem gleichnamigen Roman der englischen Schriftstellerin Naomi Alderman) mit glaubwürdigen und komplexen Charakteren und der eindrucksvollen Schauspielkunst der drei Hauptdarsteller*innen zu einem sich in seiner Intensität stetig steigernden Drama um die Rolle der Frau und der Bedeutung von Freiheit in einer streng patriachalisch-religiösen Gemeinschaft, das letzlich in einem ergreifenden aber wunderbar unprätensiösen (und brilliant gefilmten) Apell an die Rückbesinnung auf den humanistischen Kern der Religion gipfelt.
Vieles überlässt Lelio dabei den Blicken und Gesten seiner Darstellenden, mit denen sie es schaffen, das Innenleben ihrer Charaktere vor uns auszubreiten, und eigentlich reichen ihm nur wenige gesprochene Sätze, die uns dann umso mehr treffen und berühren.
Dass er dabei weder die Religion selbst noch den Glauben blind verteufelt, aber dennoch schonungslos ihre Auswüchse und deren negativen Einfluss auf die Menschen aufzeigt, fügt sich nahtlos in die Vielschichtigkeit dieses Filmes ein.
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