Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Withnail & I“

Großbritannien, 1987

Bewertung: 4 von 5.

In England gilt der Debütfilm des Regisseurs Bruce Robinson als absoluter Kultfilm, in Deutschland hingegen ist er nahezu unbekannt.
Im Sommer des Jahres 1969 beschließen die beiden arbeitslosen Schauspieler Withnail und Marwood (das „I“ aus dem Titel) Urlaub auf dem Land zu machen, um den Sorgen ihres Lebens in dem heruntergekommenen Appartement in London wenigstens für kurze Zeit zu entfliehen. Dabei kommen sie, dank einer Lüge Withnails, im Landhaus von dessen schwulem Onkel Monty unter.
Was sie jedoch nicht in London zurücklassen können, ist ihr Hang zu Drogen, vor allem Alkohol.
Robinson blickt in „Withnail & I“ mit fast zwanzig Jahren Abstand zurück auf das Ende einer Ära der versuchten, aber letztendlich gescheiterten gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen, und er tut das mit einer ganz eigenen Mischung aus trockenem Humor und einer gewissen Melancholie, die durch die wunderschöne Kameraarbeit von Peter Hannan („Full Circle„) zusätzlich unterstützt wird.
Die Tatsache, dass es in England ein Trinkspiel zu dem Film gibt, bei dem die Beteiligten, immer wenn Withnail trinkt, auch einen Schnaps oder ähnliches trinken müssen, mag als Hinweis darauf genügen, dass der Film intelligenter ist als manche Teile seines ihn verehrenden Publikums.
Wer ihn nämlich auf den Alkoholkonsum und seine in den britischen Sprachgebrauch eingegangen Oneliner („I’m making time!„) reduziert, übersieht sowohl die zahlreichen literarischen Anspielungen und erstaunlich vielschichtigen Charakterzeichnungen als auch die herausragenden Leistungen der damals noch unbekannten Richard E. Grant und Paul McGann in den Titelrollen und Richard Griffiths als Onkel Monty.
Ob dessen Darstellung im Film nun schwulenfeindlich sei, wird in den verschiedensten Kritiken immer wieder unterschiedlich diskutiert. Homophobie ist im Film, wie in der Gesellschaft und der Zeit, die er zeigt, auf jeden Fall allgegenwärtig, und die Gefahr, dass ein Publikum, das aus einer bittersüßen Geschichte über eine Männerfreundschaft ein Trinkspiel macht, diese blind übernimmt, schätze ich als durchaus gegeben ein.
Der Film selbst macht sie sich meiner Meinung nach nämlich keineswegs generell zu eigen, so hatten sich doch sowohl der Regisseur als auch Griffiths gegen den Wunsch eines Produzenten zur Wehr gesetzt, Monty als Karikatur auf Schwule anzulegen. Allein die Szene, in der sich der Onkel gegenüber Marwood sexuell übergriffig zeigt, hinterlässt gerade heute erstmal einen mehr als faden Beigeschmack und die Frage, ob sie wirklich in dieser Form nötig gewesen wäre. Tatsächlich geht sie aber auf ein Erlebnis des jungen, damals noch als Schauspieler tätigen Robinson mit dem Regisseur Franco Zeffirelli zurück, der ihn am Set von „Romeo und Julia“ belästigte.
Zudem darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass keine der drei Hauptfiguren vollkommen sympatisch gezeichnet ist, nur fehlte es leider, vielleicht mal abgesehen von Stephen Frears‘ „My Beautiful Laundrette“ (über den ich auch noch mal schreiben muss), auch gerade im damaligen „Mainstream“ (zu dem weder „Withnail & I“ noch „My Beautiful Laundrette“ wirklich gehören, von dem sie aber letztendlich erstaunlich erfolgreich aufgenommen und konsumiert wurden) an wirklich positiven Darstellungen von Homosexualität.



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