Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„’Hukkunud Alpinisti‘ hotell“ / „Hotel ‚Zum verunglückten Alpinisten’“

Sowjetunion, 1979

Bewertung: 4.5 von 5.

Zeitgleich mit Andrei Tarkowskis „Stalker“ entstand 1979 ein weiterer Film nach einem Roman der Brüder Arkadi und Boris Strugazki, die als wichtigste Autoren der russischen Phantastik der Neuzeit gelten. Während Tarkowskis Verfilmung von „Picknick am Wegesrand“ auch im Westen als unbestrittenes Meisterwerk des russischen Kinos angesehen ist, ist der Film des estnischen Regisseurs Grigori Kromanov hierzulande nahezu unbekannt, obwohl er in der DDR seinerzeit sogar im Kino lief. Das deutsche Independent-Label „Camera Obscura“ entreisst nun (dieser Beitrag entstand ursprünglich im September 2022) mit seiner Blu ray-/DVD-Veröffentlichung den Film der Vergessenheit und präsentiert ein Kleinod des ost-europäischen Kinos, in dem mehr steckt, als es auf den ersten Blick scheint.
Der Polizei-Inspektor Peter Glebski wird wegen eines Vorfalls in ein abgelegenes Hotel in den Alpen gerufen. Dort angekommen stellt sich jedoch heraus, dass scheinbar gar kein Verbrechen vorliegt. Aufgrund der einbrechenden Dunkelheit beschließt er, erst am nächsten Tag zurückzufahren, doch in der Nacht überschlagen sich die Ereignisse… Eine Lawine geht hernieder und einer der allesamt seltsamen Hotelgäste wird tot aufgefunden.
Was folgt, ist weniger ein Who-dunit als eher ein moderner Film Noir, mehr Mickey Spillane als Agatha Christie; der Inspektor sieht sich schon bald vor Entscheidungen gestellt, die er eigentlich nicht treffen will.
Das thematische Spannungsfeld zwischen Realismus einerseits und (angeblicher) Phantastik anderseits, das der Film alsbald aufbaut und das auch optisch immer wieder aufgegriffen wird (so ist sich der Zuschauer oft nicht sicher, ob er das tatsächliche Geschehen vor sich sieht oder nur eine Spiegelung in einer der vielen großformatigen Fenster- und Spiegelflächen), ist hier jedoch nur vordergründig ein theoretisch-philosophisches, sondern in Wirklichkeit ein gesellschaftlich-politisches, in dem „Realismus“ nur ein beschönigendes Wort für (wenn nicht blinde so doch zumindest verblendete) Regeltreue und Konformität ist. Sicherlich eher ein Film für Liebhaber*innen der ausgefalleneren Filmkunst (oder der Werke der Strugazkis), der mehr von seiner Inszenierung und seinen Fragestellungen lebt als von seiner Handlung, worin er Tarkowskis „Stalker“ tatsächlich durchaus ähnelt, während die Filme ansonsten kaum unterschiedlicher sein könnten.



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