Italien, 1985
„Phenomena“ war damals der erste Film, den ich von Dario Argento gesehen habe, was einer der Gründe ist, warum er für immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben wird, auch wenn er die Klasse eines „Suspiria“ nicht erreicht.
Vielleicht ist es aber auch einfach ungerecht, die beiden Filme miteinander vergleichen zu wollen.
Ja, beide erzählen die Geschichte eines jungen Mädchens, das fernab von zu Hause in einem Internat mit einer Mordserie konfrontiert wird.
Aber da hören die Gemeinsamkeiten eigentlich auch schon auf.
Hat das Internat bei „Suspiria“ eine zentrale Bedeutung als Schauplatz des Schreckens, dient dieses bei „Phenomena“ lediglich dazu die Hauptfigur aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen und auf sich selbst zu stellen.
Die wunderbare Jennifer Connolly ist hier in ihrem zweiten Film und ihrer ersten Hauptrolle (ein Jahr vor „Reise ins Labyrinth„) zu sehen.
Sie verkörpert die Rolle der Jennifer Corvino, die telepatisch mit Insekten kommunizieren kann, mit einer überirdischen Aura, die durch die meist weiße Kleidung und geschickt eingesetzte Licht- und Zeitlupeneffekte zusätzlich verstärkt wird.
In der internationalen Fassung (die von Arrow Film in UK veröffentlichte Bluray präsentiert die 6 Minuten längere italienische Originalfassung) wurden übrigens nahezu alle Szenen und Momente entfernt, in denen Jennifer Gefühle wie Wut und Ärger zeigt, und die sie tatsächlich menschlicher erscheinen lassen.
In einem der Höhepunkte des Films (und meiner ausdrücklichen Lieblingsszene) wehrt sich Jennifer gegen die Hänseleien und Handgreiflichkeiten ihrer Mitschülerinnen, indem sie einen riesigen Fliegenschwarm zur Hilfe ruft, der die Fenster des Internats verdunkelt.
Allerdings wird dieser Aspekt ihrer Figur im weiteren Verlaufe des Films nicht wirklich vertieft. Jennifer wird also (leider!) keine Carrie mit Insekten-Power, sondern freundet sich mit dem von Horror-Ikone Donald Pleasence dargestellten Entomologen Prof. McGregor an und ist ihm dank ihrer Fähigkeiten bei der Lösung der Mordserie behilflich. Ihre Gabe verkommt dabei ein bißchen zum bloßen Hilfsmittel und so fühlt sich die Idee stellenweise einfach verschenkt an, weil sie ihrer märchenhaften Übersinnlichkeit beraubt wird.
Ich fand die ganze Geschichte um den Serienmörder in diesem Film ohnehin immer schon irgendwie überflüssig (und wenig originell gelöst). Aber wie bei fast allen Filmen Argentos aus seiner Hochphase, ist das Jammern auf hohem Niveau, denn neben der starken Darstellung von Jennifer Connolly, die den Film fast im Alleingang trägt, machen nicht zuletzt die traumhaften Bilder des Kameramanns Romano Albani und die gewohnt stimmungsvoll schräge Musik der italienischen Prog-Rock Gruppe „Goblin“ „Phenomena“ zu einem der Höhepunkte des italienischen Horrorfilms.
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