Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Legends of the Fall“ / „Legenden der Leidenschaft“

USA, 1994

Bewertung: 4.5 von 5.

Legends of the Fall“, Edward Zwicks Verfilmung von Jim Harrisons Novelle „Herbstlegenden„, der seitens des deutschen Verleihs mit „Legenden der Leidenschaft“ leider ein ungleich schlechterer Titel zugeteilt wurde, gehört zu jenen Filmen, bei denen ich mich auch nach 30 Jahren noch daran erinnern kann, wie ich ihn damals im Kino gesehen, war er doch nicht nur für meine filmische Sozialisierung von großer Bedeutung.
Der Film spielt in einem mystisch verklärten, archaischen Amerika irgendwo am Rande der Rocky Mountains zur Zeit des Ersten Weltkriegs.
Der ehemalige Colonel William Ludlow hat sich, nach seinem Austritt aus der Armee, mit seiner Familie dorthin zurückgezogen, um sie vor dem Unbill der Zivilisation und des Krieges zu schützen.
Seine Söhne könnten verschiedener nicht sein: Alfred, der älteste versucht, wie er später im Film sagen wird, „alle Regeln zu befolgen, die des Staates und die Gottes“, wohingegen Tristan, der mehr vom auf der Farm lebenden Cree „One-Stab“ großgezogen wird als von seinem eigenen Vater, wie Alfred sagt, keine davon befolgt, sondern eher impulsiv und instinktgetrieben ist. Samuel, der jüngste schließlich, ist unsicher und auf der Suche danach, seinen Platz in der Welt zu finden und sich zu beweisen.
Als er seine Verlobte Susannah auf die Ranch bringt, verlieben sich seine Brüder beide ebenfalls in sie, und als er schließlich im Ersten Weltkrieg ums Leben kommt, eskaliert die Situation zwischen den verbleibenden Brüdern.
Auch wenn die Beschreibung bis hierhin so klingt und der deutsche Titel es so suggeriert, ist „Legends of the Fall“ kein Liebesfilm im eigentlichen Sinne. Er zeigt vielmehr das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensentwürfe innerhalb einer Familie.
Susannah ist dabei nur der Auslöser, die Schuld an den folgenden Ereignissen tragen allein die in ihren eigenen Weltbildern gefangenen Männer und ihr daraus resultierendes Verhalten, deren Opfer nicht so sehr sie selbst, sondern letztendlich die Menschen um sie herum werden.
Der Tatsache, dass der Film diesen Umstand durch seinen Erzähler „One-Stab“ zwar sehr deutlich ausspricht, steht die nichtsdestotrotz positive Überhöhung der Anti-Helden-Figur Tristan gegenüber, die allein innerhalb der Märchen- oder Legendenhaftigkeit der Erzählung erklärbar und erträglich bleibt.
Gleiches gilt für den Zwiespalt zwischen der legitimen Verdammung staatlich ausgeübter Gewalt, egal ob im Krieg oder durch Polizei, und der wiederholt stattfindenden Glorifizierung von Selbstjustiz als gerechtfertigte Antwort darauf.
Was den Film für mich hingegen auszeichnet und auch heute noch sehenswert macht, ist neben dem Umstand, dass er eines der wenigen Beispiele für die gelungene filmische Umsetzung einer Briefroman-Erzählweise darstellt, und der zurecht mit einem Oscar ausgezeichneten Kameraarbeit von John Toll, der für Harrisons poetische Sprache mehr als äquivalente Bilder findet, vor allem die große Spielfreude und Schauspielkunst aller Beteiligten, denen oft nur kleine Blicke und Gesten reichen, um mehr zu sagen als es lange Dialoge könnten.
Insbesondere die wunderbare Julia Ormond, die später selbst Machwerke wie „Der erste Ritter“ vor der filmischen Bedeutungslosigkeit retten sollte, bringt mit ihrem natürlichen und akzentuierten Spiel eine Tiefe in die Rolle der Susannah, für die der Film im Versuch, 50 Jahre in 128 Minuten zu erzählen, sonst nicht die Zeit finden würde.
Für Brad Pitt als Tristan bedeutete der Film nach „Interview mit einem Vampir“ einen weiteren wichtigen Schritt auf der Erfolgsleiter und Anthony Hopkins bildet als Vater Ludlow den beeindruckenden Ruhepol des Films.
Die amerikanische 4K-Disc präsentiert den Film in kräftigen Farben und wechselnder Schärfe, was jedoch wohl dem Aufgangsmaterial geschuldet ist, denn auf allzu starke digitale Nachbearbeitung wurde hier verzichtet, was sich auch in der teilweise sehr auffälligen Präsenz des Filmkorns zeigt. Trotz alledem hat der Film wohl nie besser ausgesehen und geklungen als auf dieser Veröffentlichung, die wie fast alle 4Ks codefrei ist und somit auch auf europäischen Playern mühelos läuft.



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