Großbritannien, 1984
Als „Greystoke“ 1984 in die Kinos kam, war der letzte Tarzanfilm „Tarzan – Herr des Urwalds“ gerade mal drei Jahre her, in dem Regisseur John Derek eher seine Frau Bo Derek in Szene gesetzt hatte als wirklich die Figur des Tarzan, was angesichts der Besetzung der Hauptrolle mit Miles O’Keeffe („Ator – Herr des Feuers„) vielleicht auch nicht die schlechteste Entscheidung gewesen sein mag.
Hugh Hudson wollte mit „Greystoke“ vieles anders machen als die vorangegangenen Verfilmungen und so hält er sich für die erste Hälfte des Filmes erstaunlich nah an die literarische Vorlage „Tarzan of the Apes“ von Edgar Rice Burroughs.
Nahezu ohne menschliche Dialoge und unter Einsatz von Schauspielenden in Affenkostümen, deren lebensnahe und detaillierte Ausgestaltung den Maskenbildnern Rick Baker und Paul Engelen eine Oscarnominierung und einen BAFTA-Award einbrachten, erzählt Hudson wie und warum das Kind eines durch ein Schiffsunglück gestrandeten britischen Aristokratenpaares bei einer Horde Affen aufwächst.
Das alles ist sehr düster und bewusst dramatisch und harsch inszeniert, durch die Auslassung einzelner Details gegenüber der Novelle allerdings für den Zuschauer auch nicht immer schlüssig.
So versteht eins nicht unbedingt, warum der erwachsene Tarzan (der Name fällt im gesamten Film übrigens nicht ein einziges Mal) plötzlich einen Lendenschurz trägt, während er als Kind und Jugendlicher nackt durch Urwald gesprungen ist.
In der Erzählung Burroughs‘ ist die Erbeutung des Lendenschurzes von einem getöteten Eingeborenen ein wichtiger Schritt in der Bewusstwerdung Tarzans, dass er ein Mensch und kein Affe ist.
Während der Film den Erkenntnisprozess auch in Teilen zeigt, spart er diesen Schritt seltsamerweise aus, obwohl die Tötungsszene selbst vorkommt.
Überhaupt wird in der ersten Hälfte des Films viel gestorben und getötet, wobei der Film immer deutlich einen Unterschied macht zwischen dem Töten/Tod als Teil einer natürlichen Ordnung und dem scheinbar sinnlosen Töten von Tieren durch „zivilisierte“ Menschen.
Hudsons Film ist somit auch keine Heldengeschichte wie die früheren Tarzanverfilmungen (und die späteren), sondern er ist eine eindringliche Zivilisationskritik, die vermeintliche Errungenschaften der Menschen wie Kleidung und Umgangsformen als oberflächliche Nichtigkeiten enttarnt, unter denen sich ein Verhalten verbirgt, dass schlimmer ist als das wilder Tiere.
Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die Museumsszene gegen Ende des Films, in der das massenhafte Töten von Tieren zum Zwecke der Zurschaustellung der Vielfaltigkeit der Natur in seiner Sinnlosigkeit entlarvt wird, wenn das Publikum sich gar nicht für den wissenschaftlichen Aspekt der Ausstellung interessiert, sondern alles nur als oberflächliche Exotik konsumiert.
Christopher Lambert spielt seine erste Hauptrolle mit vollem Körpereinsatz und eben jener Mischung aus animalischer Ausstrahlung und natürlicher Unschuld, die ihn von den üblichen Tarzan-Interpretationen wohltuend absetzt.
Ian Holm gibt seinen Freund und Mentor, den belgischen Forscher Phillippe D’Arnot mit einem herrlich ironischen Augenzwinkern inmitten all dieser Dramatik und Andie MacDowell darf in ihrer ersten Filmrolle als Tarzans Love Interest Jane Porter leider nicht allzu viel mehr als hinreißend aussehen.
Kameramann John Alcott, der für Kubrick „Clockwork Orange„, „Barry Lyndon“ und „Shinning“ ins rechte Licht gesetzt hatte, zeigt hier zwei Jahre vor seinem frühzeitigen Tod nochmal, warum er als einer der ganz Großen seiner Zunft gilt.
Seine Aufnahmen des afrikanischen Dschungels sind ebenso so beeindruckend wie sein Gespür dafür, die Emotionalität von Szenen durch entsprechende Kameraeinstellungen zu unterstützen, gerade dort, wo es dem Film an Dialogen fehlt, um dies zu tun.
Ein manchmal auf den ersten Blick vielleicht sperrig wirkender Film, der aber eine Wiederentdeckung verdient hat.
Hinterlasse einen Kommentar