Polen, 2015, Netflix
Während es in den USA und UK vom renommierten Label Criterion auf Blu-ray veröffentlicht wurde, ist das polnische Meerjungfrauen-Horror-Musical „The Lure“ in Deutschland nur bei Netflix zu finden (im Originalton mit diversen Untertiteln).
Die Regisseurin Agnieszka Smoczyńska erzählt darin die Geschichte der beiden jungen Meerjungfrau-Schwestern Gold und Silber, die (fasziniert von einer am Strand jammenden Band) das Meer hinter sich lassen und beginnen als Sängerinnen und Tänzerinnen in einem Nachtclub zu arbeiten. Silber verliebt sich alsbald in den Bassisten der Band, während Gold ihren mörderischen Trieben nachgibt.
In den 1980ern spielend kombiniert der Filme Motive des Märchens von H.C. Andersen mit modernen Meerjungfrau-Film- und Serien-Mythen wie „Splash“ und „H2O“ (werde nass und du verwandelst dich), versieht das Ganze aber mit einem düsteren und erotischen Twist und würzt es mit Body-Horror-Elementen a la David Cronenberg.
An manchen Stellen erinnert mich die Geschichte der beiden unterschiedlichen Schwestern in ihrer Kombination der Coming-of-Age-Thematik und dem Erwachen sexueller Bedürfnisse mit der Verwandlung in ein Monster an den großartigen Werwolf-Klassiker „Ginger Snaps„.
Die meisten Musical-Elemente des Film, variierend von 80er New Wave über klassische Musicalnummern bis zu Punk, funktionieren ganz wunderbar, sind sie doch nicht bloß Ich-sing-jetzt-einfach-mal-meine-Gefühle-Momente, sondern werden geschickt in die Erzählstruktur des Films eingebunden, dem alten Mythos folgend, dass Meerjungfrauen Menschen durch ihren Gesang verführen. So versucht Gold z.B. in einer meiner Lieblingsszenen eine Polizistin zu becircen, die sie wegen Mordes verhaften will.
Das Ergebnis ist weder „Arielle“ noch die „Rocky Horror Picture Show“ sondern ein beunruhigendes, zeitweise sogar schockierendes, aber hochgradig faszinierendes Stück Filmkunst.
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