Tschechoslowakei, 1969
Jurai Jakubisko gilt als der radikalste Regisseur der Tschechoslowakischen Neuen Welle Ende der Sechziger Jahre, doch den deutschen Zuschauer*innen dürfte er am ehesten (wenn überhaupt) bekannt sein durch seine 1985 entstandene Verfilmung von „Frau Holle“ (die neben Aschenbrödel und der kleinen Meerjungfrau immer noch mein liebster tschechischer Märchenfilm ist) und die Serie „Frankenstein’s Tante“.
„Vögel, Waisen und Narren“ wurde direkt nach seiner Veröffentlichung als „anti-sozialistisch“ verboten und erst nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wieder freigegeben.
Jakubisko erzählt die Geschichte von zwei jungen Männern und einer Frau, allesamt Waisen, die durch ein vom Krieg verwüstetes Land ziehen, scheinbar ohne stringente Handlung.
Komödiantisch überspitzte Szenen wechseln sich mit surrealistischen Bilderreigen und Momenten voller Nachdenklichkeit ab, darin nicht unähnlich Vera Chytilovas „Tausendschönchen“ und Jaromil Jires‘ „Valerie – Eine Woche voller Wunder“. Gehören doch alle drei zu jenen seltenen Kino-Kunstwerken, denen trotz aller Doppelbödigkeit, Zerissenheit und Tiefsinnigkeit eine fast kindlich-träumerische Leichtigkeit innewohnt, die die letztendlich durchbrechende Ernst- und Boshaftigkeit der Welt nur umso unerträglicher und schockierender macht.
Magdaléna Vášáryová, die schon zwei Jahre zuvor in der Titelrolle des gewaltigen Historienepos „Marketa Lazarová“ nicht nur die Zuschauer*innen in ihren Bann gezogen hatte, ist in der Rolle der Jüdin Martha der faszinierende Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, für das Kameramann Igor Luther hier selbst in den schrecklichsten Momenten ähnlich märchenhafte Bilder findet wie später für Volker Schlöndorffs Verfilmung der „Blechtrommel“.
Die DVD-Veröffentlichung „Birds, Orphans and Fools“ (OmU) des Labels „Second Run DVD“, das sich sehr um die Entdeckung und Verbreitung Slawischer Filme im englisch-sprachigen Raum verdient gemacht hat, ist nunmehr auch schon über 10 Jahre alt und entsprechend technisch etwas überholt, und meine durch eine Ankündigung einer HD-Kino-Aufführung des Filmes durch die Friedrich-Murnau-Stiftung aufgekeimte Hoffnung auf eine kommende angemessene Veröffentlichung in Deutschland wurde bis heute leider enttäuscht. Dabei hätte es der Film mehr als verdient.
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