Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„The Ox-Bow Incident“ / „Ritt zum Ox-Bow“

USA, 1943

Bewertung: 5 von 5.

William A. Wellmans „Ritt zum Ox-Bow“ von 1943 ist einer jener Filme, die einen noch heute mit jenem Unbehagen zurücklassen, das geboren wird aus dem Verlust des Glaubens an das Gute im Menschen.
Der Film beginnt mit einer gleißend-hellen, fast weißen Einstellung, die zeigt wie zwei Männer in eine kleine Stadt reiten.
So hell wird es im Film nie wieder sein, denn in den nächsten nur 77 Minuten steigt der Zuschauer an der Seite des von Henry Fonda gespielten Gil Carter in die Abgründe der menschlichen Seele hinab.
Kurz nach den beiden Männern erreicht eine Nachricht die Stadt, dass der Rancher Kinkaid erschossen worden sei.
Gegen den Willen des Richters und in Abwesenheit des Sherrifs macht sich eine Gruppe von Männern unter Führung des ehemaligen Südstaaten-Offziers Tetley auf den Weg, die Täter zu finden und direkt ihrer Strafe zuzuführen.
Carter und sein Freund Croft schließen sich dem Lynch-Mob ebenso an wie der Richter und ein schwarzer Prediger, in der Hoffnung vielleicht noch etwas bewirken zu können.
Wellmans Film ist eine Anklage gegen Lynchjustiz, gegen den Glauben an das Recht des Stärkeren.
Darüber hinaus thematisiert er, was wir heute „toxische Maskulinität“ nennen, in der Gestalt des Majors Tetley, der seinen Sohn, den er für verweichlicht und weibisch (im Original „female son“) hält, zwingt mitzukommen und Teil der Lynchjustiz zu werden.
Weibliche Charaktere gibt es im Film nur zwei. Zum einen die ehemalige Geliebte Carters, deren brilliant (und ohne Dialog zwischen den beiden) inszeniertes Aufeinandertreffen allein dazu dient, die Figur Fondas weiter zu charaktisieren, und zum anderen die Figur der „Ma“ Grier.
Mit ihr schafft die Oscar-Preisträgerin Jane Darwell („Früchte des Zorn„, „Vom Winde verweht„) eine der grausigsten Figuren des Films. Sie schließt sich dem Mob aus reiner Blutrünstigkeit und der Freude an Gewalt an. Ihr immer wieder erklingendes schrilles Auflachen jagt einem Schauer über den Rücken.
Ihr Spitzname „Ma“ erscheint geradezu zynisch, zugleich macht er sie zusammen mit der despotischen Vaterfigur des Majors zum Sinnbild für die prägenden Elemente einer Gesellschaft, deren vorrangige Ausdrucksform Gewalt ist und in der die Stimme der Vernunft ungehört verhallt und letztendlich kapituliert.
Der junge Anthony Quinn darf hier als Mexikaner Juan Martínez eine frühe Kostprobe seines Könnens geben, das ihn später zu einem der angesehensten internationalen Charakterdarsteller machen sollte.
Zur Sichtung des Films empfehle ich die englische Bluray von Arrow Films oder die deutsche Bluray (neben deutschem Ton auch mit englischem Ton und Untertiteln) aus der Reihe „Western-Legenden“ von Koch Media.



Eine Antwort zu „„The Ox-Bow Incident“ / „Ritt zum Ox-Bow“”.

  1. […] Mexikaners Juan Martinez in William A. Wellmans aufwühlendem Anti-Selbstjustiz-Western „Ritt zum Ox-Bow“ (1943) bis zu seiner oscar-prämierten Titelrolle in „Alexis Zorbas“ (1964).In […]

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