Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Idi i smotri“ / „Komm und sieh!“

Sowjetunion, 1985

Bewertung: 5 von 5.

Seit heute (dieser Beitrag entstand ursprünglich am 27.11.2020) ist der russische Anti-Kriegsfilm „Idi i smotri“ / „Komm und sieh!“ des Regisseurs Elem Klimow dank des wunderbaren Labels Bildstörung in Deutschland in einer Bluray-Fassung erhältlich, die dem Film endlich gerecht wird.
Wenn Kritiker versuchen diesen Film zu beschreiben, dann fallen schnell Begriffe wie „bester Anti-Kriegsfilm“ oder „unglaublich brutaler Kriegsfilm“.
Solche Superlative sind immer schwierig, wecken sie doch Erwartungshaltungen, die der Film vielleicht nicht erfüllen kann oder gar will.
Heute, mehr als 35 Jahre nach seiner Entstehung, wo das Töten von Menschen auf der Leinwand längst endgültig zum Unterhaltungs-gegenstand geworden ist, verfehlt der Film jedoch seine Wirkung immer noch nicht.
Das Hintergrundbild des Bluray-Menüs zeigt das Gesicht des Jungen Florja, wie er den Zuschauer voller Schrecken anblickt.
Dieses Stilmittel setzt der Film selbst immer wieder ein.
Die Protagonisten schauen direkt in die Kamera, dem Zuschauer tief in die Augen und er in ihre und in all den Schmerz und die Angst und das Entsetzen in ihnen.
Manchmal scheint dieser Blick auch durch den Zuschauer hindurch zu gehen auf etwas, das hinter ihm liegt, so dass man auf seinem Sofa fast versucht ist, sich umzublicken und dann froh ist, dass dort hinter einem selbst keine Schrecken lauern.
Komm und sieh!“ Mit diesen Worten wird Johannes in der Offenbarung (Kapitel 6) aufgefordert sich die Verheerungen der vier Reiter der Apokalypse anzuschauen.
Im Film ist es der Junge Florja, der sich im Jahr 1943 in Weißrussland den Partisanen anschließen will, die gegen die auf dem Vernichtungsrückzug befindlichen Deutschen kämpfen, und Zeuge der Verbrechen der deutschen Soldaten an der Zivilbevölkerung wird.
Da der Film im russischen Originalton mit deutschen Untertiteln vorliegt, ist es als Deutscher umso erschreckender, wenn die Täter dieser Grausamkeiten deine eigene Muttersprache sprechen. Bei einer vollständig synchronisierten Fassung, würde dieser zusätzliche Effekt ausbleiben.
Von Schwarzweißmalerei ist der Film jedoch weit entfernt, zeigt er doch vielmehr wie der Krieg alle zu Tätern und Opfern macht.
Manchmal surreal, dann wieder direkt und realistisch, manchmal wunderschön und dann wieder abstoßend, nimmt „Komm und Sieh!“ den Zuschauer auf eine Reise in die Abgründe menschlichen Handels, erlebt durch die Augen eines Kindes.



Eine Antwort zu „„Idi i smotri“ / „Komm und sieh!“”.

  1. […] Sand-Creek-Massaker oder (um die Thematik von Kindern im Krieg aufzugreifen) Elem Klimows „Komm und sieh!„, deren schonungslose aber eben nicht voyeuristische Bilder menschlicher Grausamkeit sich […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar