Ungarn, 1956
Laut dem der Veröffentlichung des britischen Labels Second Run beliegenden Booklets ist „Körhinta“ auch wohl heute noch einer der bekanntesten und beliebesten Filme in Ungarn, der nicht nur seinem Regisseur Zoltán Fábri internationale Anerkennung brachte, sondern auch die erfolgreiche Karriere seiner Hauptdarstellerin Mari Törőcsik begründete, die hier ihr beeindruckendes Leinwanddebüt gibt.
„Körhinta“ stellte Fábris radikale Abkehr vom sozialistischen Realismus dar und fast scheint es als habe diese neue filmische Freiheit alle Beteiligten zu Höchstleistungen beflügelt.
So alt-bekannt die Geschichte um eine verbotene Liebe scheint, so fortschrittlich sind Erzählweise und Darstellung für ihre Zeit.
Mari Törőcsik spielt die Rolle der 18jährigen Mari, Tochter eines reichen Bauern, die nach dem Willen ihres Vaters einen Großbauern heiraten soll, aber den jugen Máté liebt, der Mitglied der Genossenschaft ist.
Auf einem Jahrmarkt erleben die beiden Liebenden auf dem Kettenkarussell einen gemeinsamen Moment der Freiheit, dessen rauschhafte Schwerelosigkeit und aufregendes Schwindelgefühl von Kameramann Barnabás Hegyi in bis dahin nie dagewesene Bilder gepackt wird, indem er die Kamera sich mit dem Karussell mitdrehen lässt.
Diese Bewegung der Kamera, die später nochmal bei einem Hochzeitstanz aufgegriffen, wird zum Ausdruck purer Lebensfreude, einem Gefühl, für das in den Propaganda-Filmen des sozialistischen Realismus kein Platz war, und somit auch zum Sinnbild der Rebellion gegen festgefahrene Traditionen.
Fábri gelingt es, nicht zuletzt auch wegen der hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Darsteller*innen, klassisches Drama, interessante Charakterzeichnungen und Gesellschaftskritik zu einem homogen Ganzen zu verschmelzen, das auch fast 70 Jahre später nichts von seiner Wirkung verloren hat.
Ein wahrhaft zeitloser Klassiker des ungarischen Kinos, der von Second Run in seiner 3-Dics-Box „Hungarian Masters„, zusammen mit István Gaál’s Current (Sodrásban, 1963) and Miklós Jancsó’s Agnus Dei (Égi bárány, 1970), im Originalton mit optionalen englischen Untertiteln und schön restauriertem S/W-Bild herausgebracht wurde. Nach einer deutschen Veröffentlichung sucht man wie so oft vergebens.
Das britische Label Second Run sei ohnehin allen Liebhabern des ost-europäischen Kinos empfohlen, stellen dessen DVDs und Blu rays doch oft die einzige Möglichkeit dar, diese Filme außerhalb ihrer Ursprungsländer zu bekommen.
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