USA, 2022
Über „Swiss Army Man„, den ersten gemeinsamen Film des Regie-Duos Dan Kwan und Daniel Scheinert, hatte ich damals geschrieben, es wäre der wohl seltsamste, aber auch schönste und magischste und zugleich traurigste Film, den man in jenem Jahr im Kino sehen könnte.
Nun, all das trifft auf „Everything Everywhere All at Once“ auch zu, viele Trademarks der beiden Regisseure und Drehbuchautoren finden sich auch hier, so zum Beispiel ihr unglaubliches Talent dafür, Witze, die in jedem anderen Film irgendwas zwischen platt und peinlich gewesen wären, so in Szene zu setzen, dass sie zu etwas absurd Kunstvollem werden, bei dessen Anblick eins ungläubig mit dem Kopf schüttelt, während die Lachtränen übers Gesicht strömen.
„EEAaO“ erzählt die Geschichte der chinesisch-stämmigen Evelyn Wang (Michelle Yeoh), die mit ihrem Leben mehr als unzufrieden ist: der Waschsalon, den sie mit ihrem Mann Waymond (Jonathan Ke Quan, „Indy II„, „Goonies„), von dem sie sich längst entfremdet hat, betreibt, ist überschuldet, die Steuerbeamtin Deirdre (Jamie Lee Curtis) sitzt ihr buchstäblich im Nacken und ihre Tochter Joy (Stephanie Hsu) entzieht sich ihr auch immer mehr. Und dann ist da noch ihr pflegebedürftiger Vater (James Hong).
Und als wäre das nicht alles schon mehr als genug, entdeckt sie auch noch, dass es neben dem Universum, in dem sie lebt, noch ganz viele andere gibt, entstanden durch die unterschiedlichen Entscheidungen, die wir Menschen jeden Tag treffen, die jedoch alle in Gefahr sind, und ausgerechnet sie, die scheinbar nichts auf die Reihe bekommt, soll die Erretterin sein.
Kwan und Scheinert nehmen bekannte Film- und Helden-Topoi und wirbeln sie so wild durcheinander, dass eins erstmal schwindelig wird und dabei etwas völlig Neues entsteht.
Die anderen Universen sind zugleich eine optische und inszenatorische Reise durch die asiatische Kino-Geschichte von den Martial-Arts-Filmen der 70er, dem Hongkong-Action-Kino der 80er bis zum Arthouse-Kino eines Wong Kar-Wai.
Dass das alles irgendwo und irgendwie zusammenpasst, all dieser wunderbare Nonsense, all die fulminanten Kampfszenen und aber eben gerade auch all die ruhigen Momente, in denen die ausnahmslos großartigen Schauspieler*innen ihren Figuren eine Tiefe und Glaubwürdigkeit verleihen, die man von diesem Film vielleicht gar nicht erwartet hätte, das ist die große Kunst des Films, der eben nur vordergründig Spektakel ist.
Tatsächlich aber ist er das schönste und ergreifenste Loblied auf die Vielseitigkeit des Lebens mit seinen Höhen und Tiefpunkten und auf die Menschen um uns herum, die dieses Leben lebenswert machen, das das Kino in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Wir müssen nur den Mut haben, uns drauf einzulassen, genau wie auf das Leben.
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