Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Bara no Sōretsu“ / „Funeral Parade of Roses“

Japan, 1969

Bewertung: 4.5 von 5.

Die junge trans Frau Eddie arbeitet in einer Schwulenbar in Tokyo, die dem Drogenboss Gonda gehört. Als die beiden ein Verhältnis beginnen, weckt dies die Eifersucht der Chefin des Etablissements.
Regisseur Toshio Matsumoto entfaltet in seinem Debütfilm die lose an das antike Drama „Oedipus“ angelehnte Geschichte in kunstvoll verschachtelten Kapiteln und Rückblenden, die zusätzlich von kurzen dokumentarischen Interview-Schnipseln mit „gay boys“ unterbrochen werden, die einen kleinen Einblick in das Verständnis von Gender- und Geschlechterrollen im Japan der 1960er Jahre bieten.
Kameramann Tatsuo Suzuki fängt das Geschehen in rauschhaften Schwarzweiß-Bildern ein, denen einerseits eine ungeheure Zärtlichkeit für die Hauptperson innewohnt, die andererseits aber auch gerade im überaus gewalttätigen Finale von schockierender Direktheit sein können.
Interessant zu sehen ist, dass (wie so oft bei älteren Filmen) auch hier von trans Identität im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch und
-misshandlung erzählt wird, jedoch ohne dass die trans Identität als unmittelbare Folge des Missbrauchs oder der Misshandlung dargestellt wird, wie es z.B. in dem ein Jahr zuvor entstandenen französischen „A Woman Kills“ der Fall ist. So werden die Schläge durch Eddies Mutter eindeutig als Reaktion auf die Versuche ihres Kindes mit Make-Up gezeigt. Auch werden die Gewalttaten der Hauptfigur anders als in z.B. „Dressed to Kill“ nicht in einen psychopatischen Zusammenhang zur trans Identität gestellt.
Der homosexuelle Schauspieler, Sänger und Tänzer Shinnosuke Ikehata, in Japan besser bekannt unter seinem an Peter Pan angelehnten Künstlernamen ピーター, Pītā, der wegen seines androgynen Aussehens vielfach für trans Rollen besetzt wurde, spielt die Figur der Eddie im Spannungsfeld zwischen Verletzlichkeit, Neugier und Erwachsenwerden mit großer Glaubwürdigkeit.
Der deutschen DVD von Rapid Eye Movies liegt die 2017 entstandene 4K-Restaurierung zugrunde, was die Frage aufwirft, warum man nicht wie das British Film Institute in UK direkt mindestens eine Blu-ray daraus gemacht hat. Die 2-Disc-Veröffentlichung des BFI, die noch zahlreiche Kurzfilme des Regisseurs enthält (auch diese Gelegenheit hat Rapid Eye Movies verpasst), ist leider out-of-print, weswegen sie auf meine Suchliste gewandert ist.



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