Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Revenge“

Frankreich, 2017

Bewertung: 4 von 5.

Coralie Fargeats Debütfilm „Revenge“ hatte ich seinerzeit bei Erscheinen gesehen und für okay befunden, doch erst jetzt im Nachgang zu „The Substance„, dem letztjährigen Meisterwerk der französischen Regisseurin und Drehbuchautorin, erschließt sich mir der Rape-and-Revenge-Streifen vollständig.
Was vorschnell als Style-over-Matter abgetan werden kann, offenbart sich bei genauerem Hinsehen als integraler Bestandteil nicht nur der künstlerischen Handschrift Fargeats sondern ihrer ganz eigenen Form filmischen Erzählens, die zwar tief im Genrefilm verwurzelt ist, dessen Elemente jedoch durch Überzeichnung bricht und neu arrangiert.
Zum Beispiel spiegelt sich die Charakterentwicklung der weiblichen Hauptfigur Jen, eindringlich dargestellt von Matilda Lutz, die demnächst als neue Red Sonja über die Leinwand fegen darf, darin wieder, wie die Kamera sie betrachtet.
So sind die Bilder des belgischen Kameramannes Robrecht Heyvaert zu Beginn stark vom „Male Gaze“ geprägt. Wir als Zuschauende bekommen die junge Jen, die ein Verhältnis mit dem verheirateten Richard hat, so zu sehen, wie Richard und seine Freunde sie anschauen: lüstern und begierig.
Als es nicht mehr nur bei Blicken bleibt und einer von den dreien Jen vergewaltigt, blickt die Kamera dankeswerterweise weg, allein den Schmerz und die Verzweiflung auf Jens Gesicht können wir in der Spiegelung der Glasscheibe sehen.
Wenn die Kamera später im Film zu Beginn ihres Rachefeldzugs wieder über Jens fast unbekleideten Körper fährt, ist von Male Gaze nichts mehr zu spüren. Blut, Dreck und Narben, die sie wie eine Mischung aus Kriegsbemalung und Rüstung trägt, machen aus dem ehemaligen Objekt der Begierde eine Kriegerin, eine urzeitliche Rachegöttin mit modernem Scharfschützengewehr.
So bodenständig die Wahl der Waffen und Racheakte im Vergleich zu anderen Genre-Vertretern wie z.B. „I Spit on your Grave“ im ersten Augenblick erscheint, so heftig und ins Splatter- und Body-Horror-Mäßige überzeichnet gestalten sich die Gewaltmomente des Films, für deren größtenteils handgemachte Spezialeffekte wie später auch bei „The Substance“ die SFX-Künstlerin Laetitia Quillery verantwortlich ist.
Dazwischen erzählt Coralie Fargeat von Consent und weiblicher körperlicher Autonomie einerseits und Misogynie und männlichen Macht- und Gewaltphantasien andererseits, was „Revenge“ neben Abel Ferraras weiterhin unerreichtem „Die Frau mit der 45er Magnum“ und Jennifer Kents „The Nightingale“ zu einem der wenigen intelligenten Vertreter eines ansonsten mitunter problematischen Genres macht.



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