Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Bandits“

Deutschland, 1997

Bewertung: 4.5 von 5.

Nachdem Katja von Garniers noch an der Hochschule entstandener Film „Abgeschminkt!“ von der Kritik hochgelobt und mit Preisen überschüttet worden war, fiel die Resonanz zu ihrem Langdebüt „Bandits“ eher verhalten aus. Beim Publikum war die Geschichte um vier unterschiedliche Frauen, die im Gefängnis eine Band gründen und nach ihrer Flucht zu Stars werden, jedoch ein großer Erfolg und das verdientermaßen wie ich finde.
Hochkaratig besetzt, von der ehemaligen DEFA-Charakterdarstellerin Jutta Hoffmann als suizidgefährdete Marie über Nicolette Krebitz als herrlich naive Angel und Jasmin Tabatabai als rebellische Luna bis zur wundervollen Katja Riemann als coole Emma, für deren Darstellung sie völlig zurecht das Filmband in Gold bekam, und Hannes Jaenicke als schmierig-hassenswerter Kommissar Schwarz sowie Andrea Sawatzki als seine Assistentin Ludwig, durchaus pfiffig-balladesk erzählt (weswegen mich die teilweise kritisierte mangelnde Charaktertiefe auch nicht stört, sondern ich sie vielmehr passend finde), mit einem schmissigen Soundtrack mit dem einen oder anderen Ohrwurm unterlegt und von damals noch Kamera-Neuling Torsten Breuer in stimmungsvolle Bilder gepackt. Breuer sollte in den Folgejahren nicht nur von Garnier treu bleiben, sondern sich mit seinen Arbeiten für Dennis Gansel, Marcus H. Rosenmüller und anderen namhaften Regisseur*innen als einer der führenden und interessantesten deutschen Kameraleute etablieren.
Bandits“ entstand in einer Zeit, in der Bewegungen wie Riot Grrrl und Girl-Power aufkamen (oder schon präsent waren), in denen Empowerment und gegenseitige Akzeptanz von Frauen eine große Rolle spielten und die sich als Themen eben auch in Garniers Film wiederfinden.
Die fast nur als Momentaufnahmen dahingeworfenen Charaktere (was im Übrigen etwas anderes ist als klischeehaft) machen (oder haben) Erfahrungen (gemacht), in denen sich Zuschauer*innen erkennen können: häusliche Gewalt, sexuelle Anzüglichkeiten und Belästigungen. Sie wehren sich allerdings auch dagegen in einer Form, in der es den Zuschauer*innen im realen Leben nicht immer möglich ist. Und sie dürfen cool, ausfallend, laut und sexuell selbst-bestimmt sein (ganz ähnlich wie Thelma und Louise, die beiden Titelheldinnen in Ridley Scotts Film, den Garnier eins um andere Mal zitiert).
Und ihnen dabei zuzuschauen macht auch heute fast dreißig Jahre später immer noch Spaß, vor allem auf der 2021 bei Turbine Medien erschienenen in 4K-gemasterten Blu-ray, die mit Audiokommentar, vielen Extras und einem umfangreichen Booklet daherkommt. Im Stream gibt es diesen kleinen, schönen Klassiker des guten deutschen Films (ja, so etwas gibt es tatsächlich) zur Zeit leider nicht.



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