Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Berberian Sound Studio“

Großbritannien, 2012

Bewertung: 5 von 5.

Der britische Toningenieur Gilderoy soll in den 1970er Jahren auf Wunsch des italienischen Regisseurs Santini die Geräusche für dessen neuesten Film machen. Vor Ort in dem kleinen Tonstudio in Italien angekommen, muss Gilderoy feststellen, dass es sich bei dem Film um einen Horrorfilm über die Hexenverfolgung handelt.
Peter Stricklands zweiter Film „Berberian Sound Studio“ ist eine Hommage an die Kunst des Sounddesigns und -engineerings in Filmen und zugleich eine geschickte Studie über die Misogynie des Genrefilms und der Filmindustrie. Doch anders als der Regisseur in seinem Film, der behauptet, die Grausamkeiten der Hexenverfolgung zeigen zu müssen, um sie anklagen zu können, und damit doch nur den Voyeurismus seines Filmes zu rechtfertigen versucht, reproduziert Strickland diese eben nicht, zumindest nicht auf optischer Ebene. Die Szenen, die Gilderoy vertonen muss, bekommen wir als Publikum nie zu sehen.
Ihre Grausamkeit erschließt sich uns allein aus Gilderoys Reaktionen sowie den Kurzbeschreibungen der Szenen und den Geräuschen, die der Toningenieur mit Hilfe einfacher Mittel dafür erzeugt.
Dass die Kamera von Stricklands damaligem Lieblingskameramann Nic Knowland dabei mit der gleichen Lust an der Zerstörung über die zerhackten Salatköpfe und zerpflücktes Gemüse fährt wie wir es mit zumeist weiblichen Körpern aus den Exploitationfilmen der Siebziger kennen, gehört zu den vielen großartigen Kunstgriffen in „Berberian Sound Studio„.
Toby Jones, den meisten Zuschauenden wohl bekannt aus „The Hunger Games„, wo er den Ansager Claudius Templesmith spielte, verkörpert den sensiblen Tontechniker Gilderoy mit viel Gespür für zurückhaltende doch zugleich ausdrucksstarke Mimik, wodurch es ihm gelingt, das Publikum nicht nur auf seine Seite sondern auch mit ihm hinab in das Grauen zu ziehen, das mehr und mehr von ihm Besitz ergreift.
Bereits nach meiner Sichtung von „The Duke of Burgundy“ fragte ich mich, wie Peter Strickland bisher unbemerkt an mir vorbeigehen konnte, und nach „Berberian Sound Studio“ verstärkt sich diese Frage, zugleich freue ich mich, dass ich die Entscheidung getroffen hatte, zur Entdeckung dieses mir unbekannten Regisseurs direkt zur von Curzon in Großbritannien herausgegebenen Werkausgabe seiner bisherigen Filme und Kurzfilme gegriffen habe, anstatt mir die einzelnen Filme mühsam zusammensuchen zu müssen.
Berberian Sound Studio“ ist zwar in Deutschland erschienen, wurde jedoch genau wie „The Duke of Burgundy“ nicht synchronisiert, sondern ist nur mit deutschen Untertiteln verfügbar. Den Film komplett zu synchronisieren, wie es ja in der Vergangenheit bei mehrsprachigen Filmen in Deutschland leider durchaus üblich war, hätte ihn im Übrigen eines Teils seiner Wirkung beraubt.
Das Faszinierende an Stricklands Filmen für mich ist bisher, dass ihre Kunstfertigkeit und ihre Metaebenen nie Selbstzweck sind, sondern dass es ihm gelingt, ganz ähnlich wie David Lynch (den er gerne eins ums andere Mal zitiert), sie mit dem Rest des Films zu einem Ganzen zu verdichten, in dem Schönheit und Schrecken, Genre und Kunst nicht nur gleichberechtigt nebeneinanderstehen, sondern einander bedingen und umarmen.



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