Olivers Filmwelten

Aus Leidenschaft zum Film


„Deutschstunde“

Deutschland, 2019

Bewertung: 5 von 5.

Ich weiß nicht, wann mich ein Film das letzte Mal mit einem derartigen Gefühl des Unwohlseins zurückgelassen hat, wie die 2019er Neuverfilmung des Lenz’schen Romanklassikers „Deutschstunde“ von Christian Schwochow.
Schwochow hatte schon mit dem ersten Teil der „NSU“-Trilogie „Die Täter – Heute ist nicht alle Tage“ bewiesen, dass er unangenehme Wahrheiten in entsprechende Filmbilder umsetzen kann.
In „Deutschstunde“ sind diese geprägt von einer bedrückenden Leere und Farblosigkeit, die damit nicht nur zum Ausdruck des Seelenlebens der Charaktere werden, sondern zugleich Sinnbild dafür sind, wie die Ideologie des Nationalsozialismus jegliche Lebensfreude zu zerstören versucht.
In dem kleinen Dorf an der Nordseeküste, in dem der elfjährige Siggi Jepsen aufwächst, kommt diese Ideologie eigentlich nur durch Befehle aus der Hauptstadt an.
Befehle, die sein Vater, der Dorfpolizist Jens Ole Jepsen (beängstigend: Ulrich Noethen) mit großem Pflichtbewußtsein erfüllt. Auch als sein Freund und Patenonkel von Siggi, der Maler Max Ludwig Nansen (großartig: Tobias Moretti) zum „entarteten Künstler“ erklärt wird.
Die Bilder Nansens, dessen Figur an den expressionistischen Maler Emil Nolde angelegt ist, sind die einzigen Farbkleckse inmitten von Trostlosigkeit und Eintönigkeit.
Der Haushalt des Malers und seiner Frau, der Sängerin Ditte Nansen (ergreifend: Johanna Wokalek), ist der mit Lebensfreude und Kultur erfüllte Gegenentwurf zum tristen, zweckmäßigen Zuhause des Jungen.
Jepsen versucht seinen Sohn als Spitzel gegen den Maler einzusetzen, während dieser dem Jungen das Malen beibringen will, da er selbst ja mit einem Berufsverbot belegt ist.
Siggi zerbricht am Kampf der beiden Männer um Pflichterfüllung und Freiheit der Kunst und landet in einer Erziehungsanstalt, wo ein ihm auferlegter Aufsatz über „Die Freuden der Pflicht“ zur Katharsis wird.
Doch es sind nicht nur die farblosen Filmbilder und das eindringliche Spiel aller Darsteller*innen, sondern auch die Dialoge, die einen erschauern lassen.
Wenn Jepsen davon spricht aus seinem Sohn einen „brauchbaren Menschen“ zu machen oder er nach dem Krieg und seiner Gefangenschaft unter den Alliierten sagt, dass „sich einer treu bleiben müsse, auch wenn sich die Verhältnisse ändern“, dann kommt dieses anfänglich erwähnte Unwohlsein in einem auf.
Und es bleibt, auch wenn der Film schon vorbei ist.
Und das ist gut so.



Eine Antwort zu „„Deutschstunde“”.

  1. […] halte.Zwar gibt es auch heute gute Filme über die NS-Zeit wie z.B. Christian Schwochows „Deutschstunde“ von 2019 oder Jonathan Glazers „The Zone of Interest“ von 2023, dann aber gibt […]

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